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In der „Geschichte meiner botanischen Studien“ schrieb Goethe 1817:
„Von dem hingegen, was eigentlich die äußere Natur heißt, hatte ich keinen Begriff, und von ihren sogenannten drei Reichen nicht die geringste Kenntnis. Von Kindheit an war ich gewohnt, in wohleingerichteten Ziergärten den Flor der Tulpen, Ranunkeln und Nelken bewundert zu sehen… An exotische Pflanzen wurde nicht gedacht, noch viel weniger daran, Naturgeschichte in der Schule zu lehren…“
Den botanischen Studien brachte Goethe großes Interesse entgegen.
In Briefen aus Ilmenau an Frau von Stein heißt es z. B. am 4. 6. 1785:
„Du siehst, in welchen Klassen der Vegetation ich hier lebe. Ich habe Linnés Botanische Philosophie bei mir und hoffe, sie in dieser Einsamkeit endlich einmal in der Folge zu lesen, ich habe immer nur so daran gekostet. Ich habe wieder einige artige botanische Ideen, und habe ein Gelübde getan, diesmal keinen Stein anzurühren.“
Nur wenige Wochen später, am 9.Juli, berichtete er ihr über seine Fortschritte in der Botanik:
„Ich bin von tausend Vorstellung getrieben, beglückt und gepeinigt. Das Pflanzenreich raßt wieder einmal in meinem Gemüthe, ich kann es nicht einen Augenblick loswerden… Am meisten freut mich itzo das Pflanzenwesen, das mich verfolgt……das ungeheure Reich simplificirt sich mir in der Seele… Wenn ich nur jemanden den Blick und die Freude mitteilen könnte… Es ist ein Gewahrwerden der wesentlichen Form, mit der die Natur gleichsam immer nur spielt und spielend das mannigfaltige Leben hervorbringt. Hätt ich Zeit in dem kurzen Lebensraum, so getraut ich mich es auf alle Bereiche der Natur – auf ihr ganzes Reich – auszudehnen.“
Johann Wolfgang von Goethe
Johann Wolfgang von Goethe an Frau von Stein
Als Vorläufer Darwins hat Goethe den Gedanken einer organischen Entwicklung der Natur von einfachen zu immer vollkommeneren Gebilden klar ausgesprochen. Er erblickte in dem Blatt das ursprünglichste Organ der Gewächse und entwickelte die Idee einer Urpflanze.
Abgehend von Linnés Klassifizierung drängt Goethes Botanik zum Typischen, Urbildlichen, zu dem, was allen Pflanzen gemeinsam ist – wie erkennte man sonst, daß man eine Pflanze vor sich hat? – zur Einheit in der Vielheit, einer Einheit, derzuliebe man den Pflanzen statt Starre und festgestelltem Sosein eine Wendigkeit, Biegsamkeit, Mobilität, Flexibilität zubilligen muß.
Aus dem „Reisetagebuch“, 1. 9. 1786
„Schöne Bestätigungen meiner botanischen Ideen habe ich wieder gefunden. Es wird gewiß kommen, und ich dringe noch weiter. Nur ists sonderbar, und manchmal machts mich fürchten, daß so gar viel auf mich gleichsam eindringt, dessen ich mich nicht erwehren kann, daß meine Existenz wie ein Schneeball wächst, und manchmal ists, als wenn mein Kopf es nicht fassen noch ertragen könnte, und doch entwickelt sich alles von innen heraus, und ich kann nicht leben ohne das.“
Was 1786 an letzter Erkenntnisgewißheit noch fehlte, erbrachten für Goethe die Beobachtungen an der Pflanzenwelt Italiens. Nun glaubte er, das gesetzmäßige Verfahren der Natur durchschaut zu haben, nach dem sie den Gestaltwandel der Pflanzenteile vom Keimblatt bis zur Fruchthülle vollzieht.
Goethes Urpflanze war ein Vernunftprodukt, ein Formgesetz, zu dem jede Einzelpflanze nur ein konkreter Fall ist!
Nach der Italienreise ist keine Rede mehr von der Urpflanze, es folgt dafür ein weiterer Schritt zur Vereinheitlichung und Vereinfachung: vom Urorganismus Urpflanze zum Urorgan Blatt.
Diese Vorstellung eines besonderen Trägers und Erzeugers organischer Einheit entwickelt Goethe erstmals in der Analyse der einjährigen Blütenpflanze. Er nimmt hier schon 1787 ein „Grundorgan“ an, aus dem alle Organe der Pflanze hervorgehen:
„Hypothese / Alles ist Blat. und durch diese Einfachheit wird die größtmögliche Mannigfaltigkeit möglich.“
„Bei Betrachtung der Pflanze wird ein lebendiger Punkt angenommen, der ewig seinesgleichen hervorbringt. / .Ideale Einheit. Wenn diese verschiednen Teile aus einem idealen Urkörper entsprungen und nach und nach in verschiedenen Stufen ausgebildet gedacht werden.“
„Und so wären wir der Natur auf ihren Schritten so bedachtsam als möglich gefolgt; wir hätten die äußere Gestalt der Pflanze in allen ihren Umwandlungen … begleitet, und … auf Äußerungen der Kräfte, durch welche die Pflanze ein und dasselbe Organ nach und nach umbildet, unsre Aufmerksamkeit gerichtet.“
„Es mag nun die Pflanze sprossen, blühen oder Früchte tragen, so sind es doch nur immer die dieselbigen Organe welche, in vielfältigen Bestimmungen und unter oft veränderten Gestalten, die Vorschrift der Natur erfüllen.“
Und das heißt eben „Metamorphose“, daß dasselbe Organ Blatt sich mannigfaltig verändert sehen läßt, als Keimblatt, Stengel, eigentliches Blatt, Blütenkelch, Blumenkrone, als Staubgefäß und Stempel und nach unten als Wurzel.
Die „Metamorphose der Pflanzen“, anfänglich der „Versuch die Metamorphose der Pflanzen zu erklären“ ist das Hauptwerk der Goetheschen Botanik mit 123 Paragraphen. Die darin waltenden Grundsätze: Vergleich als Methode, Darstellung statt Erklärung und Gestalt gegen Gesetz bilden auch heute noch die Grundlage der Pflanzenmorphologie, eines von Goethe geprägten Begriffes.
„Ich habe in dem ersten Versuche [Versuch die Metamorphose der Pflanze zu erklären, 1790] zu zeigen mich bemüht, daß die verschiedenen Teile der Pflanze, aus einem völlig ähnlichen Organ entspringen welches ob es gleich im Grund immer dasselbe bleibt durch eine Progression modifiziert, und verändert wird.
Die Metamorphose der Pflanzen „macht uns auf ein doppelt Gesetz aufmerksam:
1. Auf das Gesetz der innern Natur, wodurch die Pflanzen konstituiert werden. /
2. Auf das Gesetz der äußern Umstände wodurch die Pflanzen modifiziert werden.“
Seit 1817 veröffentlichte Goethe seine botanischen Arbeiten und faßte sie unter dem von ihm begründeten und in die Wissenschaft eingeführten Begriff „Morphologie“ zusammen. Darin heißt es: „Gestaltenlehre ist Verwandlungslehre“.
Seit Goethe 1818 das Bryophyllum calycinum kennengelernt hatte, an dessen Blatträndern er die Bildung von Brutpflänzchen entdeckte, beobachtete er es über Jahre hinweg in seinem Arbeitszimmer.
Er nannte dieses einzigartige Gewächs wegen seiner unglaublichen Produktivität die „pantheistische Pflanze“ und äußerte über sie: „Sie feiert den Triumph der Metamorphose im Offenbaren“.
Im Volksmund wird die Brutpflanze bis heute die „Goethepflanze“ genannt.
Quellen:
Helmut Brandt „Natur in Goethes Dichten und Denken“
Hans-Jürgen Geerdts „Johann Wolfgang Goethe“
Eberhard Buchwald „Naturschau mit Goethe“
Karl-Heinz Hahn „Goethe in Weimar“
Weitere Informationen zum Forscher Goethe in Ilmenau:
Geologie – Botanik – Farbenlehre – Anatomie – Technik
Johann Wolfgang von Goethe
Lehrgedicht „Metamorphose der Pflanzen“
Quellen:
Helmut Brandt „Natur in Goethes Dichten und Denken“
Hans-Jürgen Geerdts „Johann Wolfgang Goethe“
Eberhard Buchwald „Naturschau mit Goethe“
Karl-Heinz Hahn „Goethe in Weimar“