© Copyright 2023-24
Goethegesellschaft Ilmenau-Stützerbach e.V.
♥ Ilmenau kreativ erleben
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♥ Ilmenau kreativ erleben
Am 3. September 1783, zum 26. Geburtstag des Herzogs Carl August, schrieb Goethe das Gedicht „Ilmenau“, das die Stadt vor allen anderen in Thüringen auszeichnet. Goethe legt hier das Gelöbnis ab, ernster und beharrlicher die ihm gestellten Aufgaben zu erfüllen und zieht einen Schlußstrich unter lustige und ausgelassenen Tage. Er spricht von der Not des handwerklichen und bäuerlichen Lebens, ermahnt den jungen Herzog an seine Pflichten und sieht in der Neueröffnung des Bergbaus einen Weg, die wirtschaftliche Lage der Waldbewohner zu verbessern.
Anmutig Thal, du immergrüner Hain
Mein Herz begrüsst euch wieder auf das Beste,
Entfaltet mir die schwergehangnen Aeste,
Nehmt freundlich mich in eure Schatten ein
Erquickt von euren Höhn am Tag der Lieb und Lust
Mit frischer Luft und Balsam in der Brust.
Wie kehrt ich oft mit wechselndem Geschicke
Erhabner Berg an deinen Fuss zurücke
O laß mich heut an deinen sachten Höhn
Ein jugendlich ein neues Eden sehn,
Ich hab es wohl mit euch verdienet
Ich sorge still , indes ihr ruhig grünet.
Laßt mich vergessen, daß auch hier die Welt
So manch Geschöpf in Erdfesseln hält.
Der Landmann leichtem Sand den Samen anvertraut
Und seinen Kohl dem frechen Wilde baut,
Der Knappe karges Brot in Klüften sucht,
Der Köhler zittert, wenn der Jäger flucht,
Verjüngt euch mir, wie ihr es oft getan
Als fing ich heut ein neues Leben an.
Ihr seyd mir hold, ihr gönnt mir diese Träume
Sie schmeicheln mir und locken alte Reime,
Mir wieder selbst von allen Menschen fern
Wie bad ich mich in euren Düften gern!
Melodisch rauscht die hohe Tanne wieder,
Melodisch eilt der Wasserfall hernieder
Die Wolke sinkt, der Nebel drückt ins Thal
Und es ist Nacht und Dämmerung auf einmal.
Im finstren Wald beym Liebesblick der Sterne,
Wo ist mein Pfad, den sorglos ich verlor?
Welch seltne Stimmen hör ich in der Ferne?
Sie schallen wechselnd an dem Fels empor.
Ich eile sacht zu sehn, was es bedeutet,
Wie von des Hirsches Ruf der Jäger still geleitet.
Wo bin ich, ists ein Zaubermärchen Land?
Welch nächtliches Gelag am Fuss der Felsenwand ?
Bey kleinen Hütten dicht mit Reis bedecket,
Seh ich sie froh ans Feuer hingestrecket.
Es dringt der Glanz hoch durch den Fichten Saal,
Am niedren Heerde kocht ein rohes Mahl
Sie scherzen laut indessen bald geleert
Die Flasche im Kreise wiederkehrt.
Sagt wem vergleich ich diese muntre Schar?
Von wannen kommt sie? um wohin zu ziehen?
Wie ist an ihr doch alles wunderbar!
Soll ich sie grüssen soll ich vor ihr fliehen
Ist es der Jäger wildes Geisterheer?
Sinds Gnomen, die hier Zauberkünste treiben?
Ich seh im Busch der kleinen Feuer mehr
Es schaudert mich, ich wage kaum zu bleiben.
Ists der Egyptier verdächtiger Aufenthalt?
Ist es ein flüchtiger Fürst wie im Ardenner Wald?
Soll ich verirrter hier in den geschlungnen Gründen,
Die Geister Shackespears gar verkörpert finden?
Ja, der Gedanke führt mich eben recht:
Sie sind es selbst, wo nicht ein gleich Geschlecht!
Unbändig schwelgt ein Geist in ihrer Mitten,
Und durch die Rohheit fühl ich edle Sitten.
Wie nennt ihr ihn? Wer ists, der dort gebückt
Nachlässig stark die breiten Schultern drückt?
Er sitzt zunächst gelassen an der Flamme,
Die marckige Gestalt aus altem Heldenstamme,
Er saugt begierig am geliebten Rohr,
Es steigt der Dampf an seiner Stirn empor.
Gutmütig trocken weis er Freud und Lachen
Im ganzen Zirckel laut zu machen,
Wenn er mit ernstlichem Gesicht
Barbarisch bunt in fremder Mundart spricht.
Wer ist der andre, der sich nieder
An einen Sturz des alten Baumes lehnt,
Und seine langen fein gestaltnen Glieder
Eckstatisch faul nach allen Seiten dehnt
Und ohne, daß die Zecher auf ihn hören,
Mit Geistes Flug sich in die Höhe schwingt
Und von dem Tanz der himmelhohen Shären
Ein monotones Lied mit grosser Inbrunst singt?
—–
Indeß ein Alter äußre Weisheit zeigt
Bedächtig lächelt und bescheiden schweigt.
Doch scheinet allen etwas zu gebrechen
Ich höre sie auf einmal leise sprechen.
Des Jünglings Ruhe nicht zu unterbrechen
Der dort am Ende, wo das Thal sich schliesst
In einer Hütte leicht gezimmert,
Vor der ein letzter Blick des kleinen Feuers schimmert,
Vom Wasserfall umrauscht des milden Schlafs geniesst.
Mich treibt das Herz nach jener Kluft zu wandern,
Ich schleiche still und scheide von den andren.
Sey mir gegrüsst, der hier in später Nacht
Gedankenvoll an dieser Schwelle wacht.
Was sitzest du entfernt von jenen Freuden?
Du scheinst mir auf was wichtiges bedacht.
Was ists, daß du in Sinnen dich verlierest,
Und nicht einmal dein kleines Feuer schürest.
„O frage nicht, denn ich bin nicht bereit
Des Fremden Neugier leicht zu stillen.
Sogar verbitt ich deinen guten Willen
Hier ist zu schweigen und zu leiden Zeit.
Ich bin dir nicht im Stande selbst zu sagen
Woher ich sey, wer mich hierher gesandt.
Von fremden Zonen bin ich herverschlagen
Und durch die Freundschaft festgebannt.
Wer kennt sich selbst? Wer weiss, was er vermag?
Hat nie der Mutige verwegnes unternommen?
Und was du tust, sagt erst der andre Tag,
War es zum Schaden oder Frommen.
Lies nicht Prometheus selbst die reine Himmels Glut
Auf frischen Thon vergötternd niederfliessen?
Und konnt er mehr als irdisch Blut
Durch die belebten Adern giessen?
Ich brachte Feuer vom Altar
Was ich entzündet ist nicht reine Flamme.
Der Sturm vermehrt die Glut und die Gefahr
Ich schwanke nicht, indem ich mich verdamme.
Und wenn ich unklug Mut und Freyheit sang
Und Redlichkeit und Freyheit sonder Zwang,
Stolz auf sich selbst, und herzliches Behagen
Erwarb ich mir der Menschen schöne Gunst
Doch ach! ein Gott versagte mir die Kunst
Die arme Kunst, mich künstlich zu betragen.
Nun sitz ich hier, zugleich erhoben und gedrückt
Unschuldig und gestraft, und schuldig und beglückt.
Doch rede sacht! denn unter diesem Dach
Ruht all mein Wohl und all mein Ungemach
Ein edles Herz vom Wege der Natur
Durch enges Schicksaal abgeleitet
Das ahnungsvoll nun auf der rechten Spur
Bald mit sich selbst und bald mit Zauberschatten streitet
Und ,was ihm das Geschick durch die Geburt geschenkt
Mit Müh und Schweiss erst zu erringen denkt.
Kein liebevolles Wort kann seinen Geist enthüllen
Und kein Gesang die hohen Wogen stillen.
Wer kann der Raupe die am Zweige kriecht
Von ihrem künftgen Futter sprechen?
Und wer die Puppe, die am Boden liegt
Die zarte Schale helfen durchzubrechen?
Es kommt die Zeit, sie drängt sich selber los
Und eilt auf Fittigen der Rose in den Schoss.
Gewiß ihm geben auch die Jahre
Die rechte Richtung seiner Kraft!
Noch ist bey tiefer Neigung für das Wahre
Ihm Irrtum eine Leidenschaft.
Der Fürwitz lockt ihn in die Weite
kein Fels ist ihm zu schroff, kein Steg zu schmal
Der Unfall lauert an der Seite
Und stürzt ihn in den Arm der Qual.
Dann treibt die schmerzlich überspannte Regung
Gewaltsam ihn bald da, bald dort hinaus
Und von unmutiger Bewegung
Ruht er unmutig wieder aus
Und düster wild an heitren Tagen
Unbändig ohne froh zu seyn,
Schläft er an Seel und Leib verwundet und zerschlagen
Auf einem harten Lager ein.
Indessen ich hier still und atmend kaum
Die Augen zu den freyen Sternen kehre
Und halb erwacht und halb in schweren Traum
Mich kaum des schweren Traums erwehre.“
Veschwinde Traum!
Und o wie dank ich , Musen, euch!
Daß ihr mich heut auf einen Pfad gestellet
Wo auf ein Wort die ganze Gegend gleich
Zum schönsten Tage sich erhellet.
Die Wolke flieht der Nebel fällt
Die Schatten sind hinweg, ihr Götter Preis und Wonne
Es leuchtet eine wahre Sonne
Es lebt mir eine schönre Welt.
Das ängstliche Gesicht ist in die Luft zerronnen
Ein neues Leben ists, es ist schon lang begonnen.
Ich sehe hier, wie man nach langer Reise
Im Vaterland sich wiederkennt,
Ein ruhig Volk im stillen Fleisse
Benutzen, was Natur an Gaben ihm gegönnt.
Der Faden eilet von dem Rocken
Des Webers raschem Stuhle zu,
Und Seil und Kübel wird in längrer Ruh.
Nicht am verbrochnen Schachte stocken.
Es wird der Trug entdeckt, die Ordnung kehrt zurück,
Es folgt Gedeihn und festes irdsches Glück.
So mög ,o Fürst, der Winkel deines Landes
Ein Vorbild deiner Tage seyn!
Du kennest lang die Pflichten deines Standes
Und schränkest nach und nach die freyre Seele ein.
Der kann sich manchen Wunsch gewähren
Der kalt sich selbst und seinem Willen lebt
Allein wer andre wohl zu leiten strebt
Muß fähig seyn, viel zu entbehren.
So wandle du, der Lohn ist nicht gering
Daß bald ein Korn des Zufalls leichtes Spiel
Hier auf den Weg, dort zwischen Dornen fiel
Nein streue klug wie reich mit männlich steter Hand
Den Segen aus auf ein geackert Land,
dann laß es ruhn, die Ernte wird erscheinen
Und dich beglücken und die Deinen.
„Das Ilmenauer Gedicht (Ilmenau) enthält als Episode eine Epoche, die im Jahre 1783, als ich es schrieb, bereits mehrere Jahre hinter uns lag, so daß ich mich selber darin als eine historische Figur zeichnen und mit meinem eigenen Ich früherer Jahre eine Unterhaltung führen konnte.
Es ist darin, wie Sie wissen, eine nächtliche Szene vorgeführt, etwa nach einer solchen halsbrechenden Jagt im Gebirge. Wir hatten uns am Fuße eines Felsens kleine Hütten gebaut und mit Tannenreisern gedeckt, um darin auf trockenem Boden zu übernachten. Vor den Hütten brannten mehrere Feuer, und wir kochten und brieten, was die Jagt gegeben hatte. Knebel, dem schon damals die Tabakspfeife nicht kalt wurde, saß dem Feuer zunächst und ergötzte mit allerlei trockenen Späßen, während die Weinflasche von Hand zu Hand ging.
Seckendorf, der Schlanke mit den langen feinen Gliedern, hatte sich behaglich am Stamm eines Baumes hingestreckt und summte allerlei Poetisches. Abseits in einer ähnlichen kleinen Hütte lag der Herzog im tiefen Schlaf. Ich selber saß davor, bei glimmenden Kohlen, in allerlei schweren Gedanken, auch in Anwandlungen von Bedauern über mancherlei Unheil, das meine Schriften angerichtet…“
Werke des Dichters Goethe mit Bezug zu Ilmenau:
Wilhelm Meister
Iphigenie
An Frau von Stein
Einschränkung
Wanderers Nachtlied
Ilmenau
Gefunden
Alle Werke des Dichters Goethe: